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„Kein Praktikum nach dem Studium!“

„Kein Praktikum nach dem Studium!“

Kolja Briedis vom Hochschul-Infomations-System spricht im Experteninterview mit Absolventa über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise für Hochschulabsolventen, alternative Berufseinstiegsstrategien, die Bedeutung eines Netzwerkes für den Berufseinstieg und die beruflichen Zukunftsaussichten von Akademikern. Zudem erklärt er, warum er von Praktika nach dem Studienabschluss abrät.

Herr Briedis, wie stehen die Berufseinstiegschancen von Absolventen am Arbeitsmarkt eigentlich wirklich?

 Kolja Briedis vom Hochschul-Informations-System

Die gute Nachricht lautet: Mittel- und langfristig finden fast ausnahmslos alle Studierten einen Job. In der Beschäftigungsquote von Akademiker:innen* gibt es fünf Jahre nach dem Examen keine nennenswerten Unterschiede, egal ob die konjunkturelle Lage zum Zeitpunkt des Studienabschlusses gut war oder nicht. Zehn Jahre nach dem Abschluss sind sogar 99 Prozent aller Studierter im Job. Unseren Untersuchungen vom Hochschul-Informations-System HIS zufolge spielt es bei der Beschäftigungsquote auch so gut wie keine Rolle, welchen Studiengang man belegt hat. Man findet nach Abschluss des Studiums auf Dauer immer einen Job.

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Der Berufseinstieg fällt in der Krise trotzdem schwerer.

Ja, in konjunkturellen Schwächephasen fällt der Berufseinstieg zum einen schwerer und dauert dadurch oft auch länger. Aber das ist kein dauerhaftes Problem. Nach einem gewissen Zeitraum finden letztendlich doch alle Studierten ein Beschäftigungsverhältnis. Spätestens nach fünf Jahren hat es sich also „zurecht gerüttelt“.

Aber nicht alle Absolventen sind gleichermaßen von einer Wirtschaftskrise betroffen.

Richtig, man muss immer genau hinschauen, wen die Krise am stärksten trifft. Es betrifft nämlich niemals alle Absolventen und Absolventinnen gleich stark. Historisch gesehen sind immer wieder einzelne Bereiche deutlich stärker betroffen.

In den 90er Jahren war es mal die Elektrotechnik, später dann das Bauingenieurwesen, wo man keine Jobs fand. Aber gerade in der Elektrotechnik ist es heute wieder deutlich einfacher als damals. Zuletzt waren dann die Wirtschaftswissenschaften– erstmalig – mit Problemen beim Berufseinstieg konfrontiert. Momentan haben es die Personen aus den Geisteswissenschaften recht schwer.

Was bedeutet das für die Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge?

Es ist seit Jahrzehnten so, dass Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen es beim Berufseinstieg schwerer haben. Aber nicht in dem Maße, wie das teilweise diskutiert wird. Es ist nicht so, dass alle aus diesem Bereich auf der Straße stehen.

Da für Geisteswissenschaften allerdings der Berufseinstieg in die klassischen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse schwerer fällt, sind Ausweichbewegungen zu beobachten. Viele absolvieren noch ein Aufbaustudium oder promovieren. Zudem nehmen viele zunächst Übergangsjobs an oder arbeiten auf Basis von Werkverträgen.

Aber für einen Teil der Studierten aus den Geisteswissenschaften ist es sowieso üblich, über Werkverträge beschäftigt zu sein. Die gilt zum Beispiel für Übersetzer oder im Journalismus.

Welche Auswirkungen hat die Krise auf das Gehalt der Berufseinsteiger?

In der Krise sind die Einstiegsgehälter tendenziell geringer. Und wenn das Einstiegsgehalt niedriger ist, kann sich das unter Umständen auch langfristig auswirken, weil man eben mit einem geringeren Gehaltsniveau beginnt. Die meisten Berufstätigen aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich erreichen ohnehin nicht die Einkommensregionen der Informatik oder des Wirtschaftsingenieurwesens, aber Geld ist dafür auch nicht das primäre Studienmotiv.

Wie steht es um die Chancen der Absolventen sogenannter MINT-Fächer, also um die Absolventen der Fachrichtungen Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik?

Bei den MINT-Fächern muss man abwarten, wie die Unternehmen reagieren, wenn die Auftragslage mittel- und langfristig schlecht bleibt. Wenn die Firmen kein Geld verdienen, tun sie sich schwer, ihre Angestellten zu halten und neue Mitarbeiter einzustellen. Das Gehalt der Mitarbeiter muss schließlich verdient werden.

Aber die Unternehmen sind vorsichtig geworden, Mitarbeiter mit diesen Qualifikationen vorschnell zu entlassen. Die Firmen versuchen ihre Leute zu halten, um im Boom keine Engpässe zu haben, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war.

Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre viele Ingenieure und Ingenieurinnen auf die Straße gesetzt wurden, ist der Nachwuchs ausgeblieben, weil wegen der Beschäftigungssituation weniger Personen mit Fachhochschulreife ein Ingenieursstudium aufgenommen haben. Das könnte auch jetzt passieren. Aber momentan gibt es gleichwohl erste Anzeichen, dass es mit der Wirtschaft wieder bergauf gehen könnte.

Herrscht nur ein MINT-Mangel oder ein allgemeiner Akademikermangel?

Es ist sicherlich so, dass bestimmte Studienfächer wie der MINT-Bereich stärker nachgefragt werden als andere Studiengänge. Aber ganz allgemein besteht eine Tendenz zur Höherqualifizierung, von der Studierte aller Studiengänge profitieren. Im Bereich der Geisteswissenschaften gab es in den letzten 30 Jahren stark steigende Zahlen an Studierenden. Trotzdem ist es nicht so, dass alle aus diesem Bereich auf der Straße sitzen und keinen Job finden. Von daher sind Akademiker und Akademikerinnen prinzipiell auf dem Arbeitsmarkt gefragt.

Inwiefern profitieren die Absolventen von dem Trend zur Höherqualifizierung?

Die Aufgabenfelder und die Anforderungsprofile von Jobs verändern sich und werden anspruchsvoller. Heute erledigt die Assistenz der Geschäftsführung deutlich mehr und verantwortungsvollere Aufgaben, als es früher die klassische Sekretärin gemacht hat. Statt Vorzimmerdame und Termine koordinieren, ist nun die aktive Mitarbeit in Projekten gefordert.

Es gilt, Präsentationen vorbereiten und sich inhaltlich einbringen. Das erfordert ganz andere Kompetenzen und Qualifikationen. Diese werden im Studium erworben. Die Anforderungen an Arbeitnehmer haben sich gewandelt. Deshalb sollte man vorsichtig sein, wenn man sagt, es gibt von einer bestimmten Fachrichtung zu viele Studierte.

Welche Bedeutung haben Praktika im Studium und in welchen Studienfächern sind diese besonders wichtig?

Unabhängig vom Studienfach ist es für den Berufseinstieg von hoher Bedeutung, im Studium Praktika zu machen. Praxiserfahrungen sind dabei in verschiedenerlei Hinsicht wichtig. Unter anderem haben sie eine Orientierungsfunktion: Durch Praktika kann man erfahren, welche Berufsfelder einen interessieren oder eben feststellen, welche Berufsfelder einem überhaupt nicht liegen.

Insbesondere in den Geisteswissenschaften ist diese Orientierungsfunktion besonders wichtig, da man mit einer Kombination wie zum Beispiel Anglistik und Politik „alles Mögliche“ beruflich machen kann. In der Vergangenheit war es aber in der Tat so, dass Praxiserfahrungen in vielen Studiengängen kaum eine Rolle gespielt haben. Die Hochschulen haben da oft keinen großen Wert drauf gelegt. Durch den Bologna Prozess wird das aber allmählich besser.

Welche Vorteile für den Berufseinstieg bringen Praktika noch?

Praxiserfahrungen haben auch ganz eindeutig eine Türöffner-Funktion. Wenn ich in einem Bereich schon mal gearbeitet habe, erwerbe ich dabei auch gewisse Qualifikationen, die mich für andere Arbeitgeber attraktiv und interessant machen. Oft sind sie auch direkte Türöffner, weil man darüber Kontakte zu den Unternehmen aufbaut, und eventuell dort nach dem Studium übernommen wird, wenn man als Praktikant gute Arbeit geleistet hat.

Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage, was sind die gängigsten Wege, um nach dem Hochschulabschluss an einen Job zu kommen?

Ein klassischer Weg sind natürlich die Stellenangebote der Unternehmen. Es sind aber nur ein Drittel der Studierten, die ihren Job über solche Ausschreibungen finden. Der Berufseinstieg über Kontakte ist mindestens ebenso weit verbreitet. Etwa 40 Prozent gelangen durch Praxiskontakte in den Beruf, sei es über Praktika, Abschlussarbeiten bei Firmen oder fachnahe Jobs, z. B. während des Studiums. Kontakte sind immens wichtig, deren Wirksamkeit darf man nicht unterschätzen.

Studierende sollten in ihrem Studium dementsprechend ein Netzwerk aufbauen und ihre Kontakte pflegen.

Ja, unbedingt. Doch letztendlich muss man aber bei der Qualität der Kontakte unterscheiden. Damit die Kontakte beim Berufseinstieg helfen, müssen sie auch fachlich geprägt sein. Wenn der fachliche Bezug nicht da ist – was häufig bei Kontakten über die Eltern oder über die Freunde der Fall ist – bekommt man dadurch eher Notnagel-Jobs, die man nur annimmt, um sich über Wasser zu halten, die aber nicht den beruflichen Vorstellungen entsprechen. Wenn hingegen Lehrende Studierende an Firmen vermitteln oder einen Kontakt herstellen, sind das eher Jobs, die auch der Ausbildung angemessen sind.

Angenommen, es klappt weder über Stellenangebote noch über Kontakte mit dem Berufseinstieg in einer klassischen Festanstellung. Ist der Berufseinstieg über Praktika nach dem Studienabschluss eine Option?

Ich halte Praktika aus den genannten Gründen für absolut sinnvoll, ich rate aber von Praktika im Anschluss an das Studium ab. Praktika gehören in das Studium! Das ist zum einen Aufgabe der Hochschulen, darauf einzuwirken, zum anderen aber auch Aufgabe der Studierenden, sich selbst darum zu kümmern und es gegebenenfalls auch bei der Hochschule einzufordern, dass dafür entsprechende Freiräume geschaffen werden. In der Vergangenheit ist das nicht im genügenden Maße passiert, insbesondere bei den Geisteswissenschaften, aber auch in anderen Fächern.

Warum raten Sie von den Praktika nach dem Studium ab?

Praktika nach dem Studium sind aus mehreren Gründen problematisch. Für die angesprochene Orientierungsfunktion von Praktika ist es dann schon fast zu spät. In der Praxis merkt man häufig, auf welche Qualifikationen es ankommt, oder welche Qualifikationen man sich noch aneignen sollte. Das sollte wie gesagt eigentlich schon im Studium geschehen.

Zudem hat man mit einem Examen in der Tasche ja durchaus Qualifikationen anzubieten. Es setzt eine Bewegung auf dem ganzen Markt in Gang: Wenn ein Teil der Studierten Praktika antritt, werden andere Studierte auch unter Druck gesetzt, ihre Arbeitskraft und ihr Know-how auf diese Weise anzubieten. Das Problem ist, dass ein Praktikum im Normalfall nicht so gut bezahlt ist, dass man davon leben kann. Dadurch liegt eine gewisse soziale Selektivität vor.

Bestimmte Gruppen können sich das leisten, weil sie über einen finanziellen Background verfügen, z. B. bei finanzieller Unterstützung der Eltern. Alles, was man nach dem Studium in einem Praktikum lernt, kann und sollte man schon während des Studiums erlernen.

Meines Erachtens ist das Absolvieren eines Praktikums nach dem Studium somit eine alternative Berufseinstiegsstrategie für eine privilegierte Gruppe.

Was, wenn es mit dem Berufseinstieg nicht klappt, und man auch kein Praktikum ableisten kann oder möchte?

In diesen Krisenzeiten sollte man zunächst einmal Geduld bewahren und sich darüber informieren, wie lange der Berufseinstieg mit den jeweiligen Qualifikationen dauern kann. Man sollte keine überhasteten Entscheidungen treffen. Es ist auch nicht unüblich, dass es mit dem Berufseinstieg bei manchen Fächerkombinationen bis zu einem Jahr oder noch länger dauert, bis man die erste „richtige Stelle“ gefunden hat. Das sind dann zwar noch nicht unbedingt unbefristete Stellen, diese werden beim Berufseinstieg jedoch sowieso immer seltener.

Und die konkreten beruflichen Alternativen zu einem Praktikum nach dem Studium?

Man sollte versuchen, kleinere fachnahe Jobs oder Werkverträge zu bekommen. So lässt sich einschlägige Berufserfahrung sammeln und zudem der Lebensunterhalt finanzieren.

Außerdem sollte man seine Kontakte aufrechterhalten und weiter ausbauen, speziell in den Bereichen, wo man seine berufliche Zukunft sieht. Zudem kann man sich an der Hochschule weiter qualifizieren, über ein Aufbaustudium oder eine Promotion.

Was halten Sie von der Möglichkeit, sich als Absolvent bei einer Zeitarbeitsfirma anstellen zu lassen?

Zeitarbeit ist sicherlich eine Möglichkeit, die man nicht von vornherein vernachlässigen sollte. Man muss sich aber im Vorhinein klarmachen, über welchen Zeitraum man das mitmachen will. Ich rate dazu, sich davor sehr genaue Gedanken dazu zu machen. Grade für Hochqualifizierte ist das eine Option, sich bestimmten Unternehmen zu empfehlen, länger dort zu arbeiten und darüber auch den Sprung in eine Festanstellung zu schaffen.

Natürlich sollte man auch darauf achten, dass man dabei keine anspruchslosen Aushilfsarbeiten übernimmt, oder alle zwei Wochen an eine andere Firma „ausgeliehen“ wird. Die Daten unserer Befragungen deuten aber darauf hin, dass der Berufseinstieg über Zeitarbeit bei Akademikern und Akademikerinnen aber bisher ohnehin eher die Ausnahme ist.

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